Die Ausbildung zum Koch zählt zu den härtesten Ausbildungen der Welt.

Die Realität in Profiküchen hat wirklich gar nichts mit dem zu tun, was man im Fernsehen so als „Kochsendung“ serviert bekommt. Das war mir vorher schon klar. Ich suchte ja auch eine schöne Herausforderung, und die sollte ich auch bekommen …

Es herrschen in der Profiküche sehr rauhe Sitten und eine glasklare Hirachie, an deren Spitze der Küchenchef steht.

Die Profiküche ist in sogenannte Posten aufgeteilt. Wir hatten einen namenlosen Posten für die Holzofenpizza, den Potager (Suppen, Zwischengerichte), den Gardemanger (kalte Küche, Vorspeisen und Salate), einen Entremetier (Beilagenkoch) was der härteste aller Posten war, den Saucier (Fleisch, Fisch, Saucen) und den Pâtissier (Dessert).

Es gibt noch viel mehr Posten, aber diese nur in wirklich großen Küchen. Da wären z.B. der Poissonnier (Fisch), Légumier (Gemüsekoch), Rôtisseur (Bratenkoch), Grillardin (Koch am Grill)

An zweiter Stelle nach dem Küchenchef, der selbst gar nicht gekocht hat, steht der Sous-Chef, dessen Stellvertreter und zuständig für die Koordination. Dann gibt es den Chef de partie, also einen Postenchef, der widerum hat mit einem Demichef de partie einen Stellvertreter. Die Strukturen waren (Zitat des Küchenchefs) militärischer Natur. Für freundliche Worte hatte man sowieso keine Zeit.

160 Überstunden in zwei Monaten und 12 bis 24 Stundenschichten für Auszubildende oft ohne Pausen

Zeit, so sollte ich schnell lernen, spielt in der Küche eine große Rolle. So war es vollkommen klar, dass man mindestens 11 Stunden arbeitete, was nicht selten auch noch wesentlich mehr wurde. Es gab Tage, die um neun Uhr begannen, und weil Auszubildende am untersten Ende der Hirachie stehen, für diese erst um ein Uhr nachts endeten, um am nächsten Tag wieder um neun Uhr zu starten. Das konnte auch mal zehn Tage am Stück so gehen. Ich hatte innerhalb von zwei Monaten 160 Überstunden angesammelt, ohne den geringsten Funken Hoffnung darauf zu haben, dass man die irgendwann auch nehmen könnte, da es nie genug Zeit gab.

Die Spitze der Zumutbarkeit war für mich an dem Tag erreicht, nach dem wir vier Tage lang nachts für ein Catering für 1600 Personen produziert hatten (denn Tagsüber musste ja für das á la carte Geschäft gekocht werden).

Ich sollte, nachdem ich inzwischen zehn Tage am Stück gearbeitet hatte, bei diesem Catering 24 Stunden am Stück (d.h. wie in den allermeisten Fällen auch komplett ohne Pausen) durcharbeiten. Und der neue Dienstplan für die Tage danach war für mich schon wieder vier Tage sogenannter „Doppeldienst“ geplant. Ich war mit meiner Kraft völlig am Ende und gab auf.

Völlig übermüdet, ausgelaugt und erschöpft, aber glücklich: Ich konnte endlich ausschlafen.

Ich handelte einen Aufhebungsvertrag aus und stand auf der Straße. Sollte ich einen großen Fehler begangen haben, als ich meinen Job im „Arbeitnehmerhimmel“, dem öffentlichen Dienst aufgegeben habe? Ich wollte das nicht glauben, tat es aber trotzdem ab und zu.

Ich wusste ja vorher durch das vorherige Probearbeiten, das es hart werden würde, aber das hatte ich nicht erwartet. Die jungen Leute, die sich das dort für eine mickrige Bezahlung antun, machen das alles nur, um am Ende Ihrer Zeit dort ein Zeugnis mit dem berühmten Namen Alfons Schuhbeck zu erhalten, mit dem ihnen dann aber Türen und Tore in die weltweite Spitzengastronomie geöffnet werden. Dort geht es dann in aller Regel genauso, teilweise auch nochmals um Einiges härter zu. Unvorstellbar aus meiner Sicht.

Und so verbringt ein junger Koch seine Zeit damit, sich durch die verschiedenen Küchen dieser Welt mühsam „nach oben“ zu arbeiten und immer mehr Erfahrung zu sammeln, immer in der Hoffnung am Ende selbst mal Küchenchef zu werden. Schon die Kochausbildung durchzustehen schaffen weniger als die Hälfte !!!!!.

Mehr als 50% aller Koch-Azubis brechen ihre Ausbildung vorzeitig ab.

Das war auch in unserem Jahrgang so. An dieser Stelle sollte sich die gesamte Branche, die inzwischen über große Nachwuchsprobleme klagt, mal fragen, ob hier nicht ein Strategiewechsel angeraten wäre …

Ich stand also auf der Straße und fing wieder an mich zu bewerben. Die Chance, eine neue Ausbildungsstelle zu finden, war zwar mit diesem Abbruch nicht gerade größer gewordern, Kapitulation kam an dieser Stelle für mich aber nicht in Frage. Zwischenzeitlich habe ich versucht, mich mit dem Gedanken anzufreunden, eventuell doch gescheitert zu sein … um dann eine weitere Bewerbung abzuschicken.

Durch ein Gespräch mit meiner höchst engagierten Praxislehrerin in der Berufsschule, der ich sehr viel zu verdanken habe, bekam ich einige Hinweise auf Küchen, die, sagen wir, etwas fortschrittlicher im Umgang mit ihren Mitarbeitern sein sollten. In einer davon, einer Küche einer großen und weltweit bekannten Hotelkette, hatte sie selbst einige Jahre gearbeitet. 

Ich habe mich wenige Tage später persönlich beim extrem netten Küchenchef vorgestellt. Eine Woche darauf habe ich dann das übliche „Probearbeiten“ durchgeführt … und hatte einen neuen Ausbildungsplatz.

Ich war überglücklich. Ich hatte eine Küche gefunden, in der auch hart gearbeitet wurde, aber immer in einer vergleichsweise angenehmen Atmosphäre. Überstunden gab es kaum. Es gab mehrere Schichten, und wenn man damit fertig war und seine Aufgaben erledigte hatte, kam die nächste Truppe und übernahm für die nächste Schicht. Der dortige Küchenchef ist meiner Meinung nach auch absolut spitzenmäßig in der Küchenplanung und im Erstellen der Dienstpläne. Es gab so gut wie nie Probleme diesbezüglich.

Im Hotel war es eine ganz andere, aber hochinteressante Herausforderung, manchmal bis zu 500 Menschen gleichzeitig mit Essen zu versorgen.

Logistische Höchstleistungen wurden hier vollzogen. Manchmal arbeiteten wir hier nur zu dritt und versorgten trotzdem 200 Menschen …